DJ SLT – So muss Techno sein


 

DJ SLT hat mit seinem Label Acerbus den Plan gefasst, “richtigen Techno” wieder auf die Landkarte zu bringen.

DJ SLT: Begonnen hat das alles 1986/1987. Ich bin in München-Neuperlach aufgewachsen. Und damals gab es da nicht viel ausser Hochhäusern und ein wenig Banden-und Möchtegern-Gangster-Mist. Ich denke, meine Eltern waren immer froh, wenn ich im Jugendzentrum war, statt unterwegs zu sein und Blödsinn zu machen. Irgendwann brachte mal einer die Platte zum Film “Breakin” mit und die lief dann im Partyraum. Wir haben uns den Film bei meinem Kumpel Kandala angesehen, der heute Hip-Hop macht – “Grosses K”. Klar, jeder aus dem Jugendzentrum wollte Breakdance machen, aber ich wollte der sein, der den Beat angibt. Das war die Initialzündung – und es hat verdammt lange gedauert, Geld für Platten vom Taschengeld zu sparen und irgendwie an Platten zu kommen. Es folgten dann Partys im Jugendzentrum, Musik machen bei Freunden und irgendwann mit 16, 17 die ersten Club-Gigs, z.B. im Sunset in München. Dort lief damals gemischter Sound, nicht zu speziell, und immer nur bis Mitternacht. Dann jedoch kam 1991 das Ultraworld, aus dem später das legendäre Ultraschall hervorging. Der Rest kam, wie er kommen musste.

Du hast dein eigenes Label Acerbus gegründet. Was bedeutet der Name?

DJ SLT: Die Bedeutung lautet “streng, hart, grausam”. Nun soll das nicht heissen, dass ich insgeheim ein SM-Label gegründet habe und mein Sound nur im Kit-Kat zu spielen wäre, sondern es geht tatsächlich um die “Strenge” und “Härte”, die man mir auch in meinem Wesen und meinen Ansichten nachsagt.

Warum diese Strenge in Bezug auf heutigen Techno?

DJ SLT:Techno ist heute nicht mehr das, was es einmal gewesen ist. Ich will nicht wie einer von den Ewig-Gestrigen klingen, die sagen: “Früher war alles besser!” Oder: “Früher hast du eine Pille am Freitag genommen, abgefeiert, sonntags eine Tüte geraucht und alles war wieder gut – und die Musik war cool!” Nein, aber Techno wie er heute ist, hat sich selbst verloren.

Was zeichnet deiner Meinung nach “echten Techno” aus?

DJ SLT: Gute Frage! Lass uns doch mal “echten Techno” definieren. Es begann mit Electro und Acid, Acid-House und House/Hip-House. Schon verdammt viele Genres. Dann kam irgendwann Techno – die Musik der Anzugträger oder der, die mit der Warnweste und dem Vorwerk-Staubsauber in irgendwelchen Kellern abgefeiert haben, denen alles egal war, solange die Musik gut war. Dann entwickelte sich das weiter, ging mehr in die Clubs, dann in die Kommerz-Diskos und selbst die Fahnenweihe der Landjugend war irgendwann ein Rave – bis dahin war immer noch alles in Ordnung. Und irgendwann hat sich Techno, nein, eher die ganze Szene, in einem Phänomen verloren, dem Schubladen-Denken. Vielleicht waren ja die Plattenläden schuld, die Sounds für die Masse in Regalen ordnen mussten, oder die Clubs – oder einfach die Techno-Leute selbst; da jeder immer versuchen musste, dem anderen zu erklären, was er hört, warum er es hört und so weiter. Wenn ich heute mal so richtig Bauchschmerzen hätte und mich dringend übergeben müsste, bräuchte ich kein Brechmittel, ich würde mir stattdessen im Internet dieses Bild runterladen, auf dem in einem Kreis alle möglichen “Arten” von Techno, House, EDM, Akne und Pickel und wie die Leute das alles heute nennen, abgebildet sind, mit Querverweisen, wer wann und warum den Hirnfurz hatte, das so und so zu nennen und vorzuschreiben, warum es so zu klingen hat. Es ist doch letztlich nur eines: elektronische Tanzmusik rhythmusorientierter Herstellungsweise; nicht mehr und nicht weniger. Wir sollen Spass beim Hören und Feiern haben und es nicht kaputt reden.

Machen wir mal einen grossen Gedankensprung: Zwei Veranstalter fragen dich als DJ an. Der erste Club ist klein und gemütlich, maximal 500 Leute, vielleicht 700 Euro Gage, 3-Sterne-Hotel und Benzin und als DJ darfst du spielen, was du willst: so hart, abgefahren oder kaputt im Kopf, wie du, der DJ, es willst – egal, was die Crowd oder der Veranstalter will, und egal, ob es gefällt. Absolute künstlerische Freiheit. Dann der Mitbewerber: grosses Event, Main Floor, 8000 Leute, 4000 Euro Gage, Business-Flug, 5-Sterne-Hotel, dazu jede Menge Instagram-Follower, Likes und sexy Mädels – und du spielst, was der Veranstalter und die Crowd erwartet. Ganz ehrlich: Jeder weiss, wo er hingeht. Ich verurteile dieses “Höher, schneller, weiter” der Events und Festivals nicht. Als ich für Yena auf der NATURE ONE 2001 gespielt habe, da war sie das Nonplusultra – und heute? Es gibt so viele Festivals wie Musikrichtungen und am Ende steht hinter allem die Gier; mehr Gage, mehr Bekanntheit, mehr von allem, nur nicht mehr Musik. Wir sind selbst schuld daran, dass alles heute irgendwie gleich klingt, weil wir uns als Künstler indirekt diktieren lassen, wie es zu klingen hat – sonst kein Beatport-Sale, keine Follower, keine Likes, keine Bookings.

Was unterscheidet deine Releases auf Acerbus von aktuellem Beatport-Techno?

DJ SLT: Wir sind am Anfang, haben jetzt die zweite Veröffentlichung draußen. Die erste, “Dark Side”, stieg als Hype-Label binnen Tagen bis auf Platz 14 der Beatport-Hype-Charts, dann direkt bis in den Bereich um Platz 50 der Techno-Main-Charts, was laut Beatport bisher dreimal passiert ist. Für die Zukunft sehe ich Acerbus so ein wenig wie das “Arschloch-Kind” in der Schule, mit dem im Pausenhof keiner spielen wollte, weil es angeblich nicht cool genug war, scheiss Klamotten trug usw., aber wehe, man ist mal zu ihm nach Hause gekommen: total coole Bude, Computer, Nintendo und all der Krempel – und so scheisse war der Typ dann gar nicht, im Gegenteil! Genauso möchte ich Acerbus auf dem Markt platzieren. Wenn es 4/4-Takt ist und hämmert, wenn sich der Track wie eine stumpfe Schraube langsam in deinen Geist schraubt und du dich einfach bewegen musst, dann bist du als Produzent bei uns genau richtig. Acerbus steht jedem offen, ganz gleich, wie abgefahren der Sound auch ist! Schickt Demos gerne an info@acerbus-records.com.

Wo beginnt für dich “echtes DJing” und wo endet es?

DJ SLT: Der Mix ist zu Hause im Keller, wo mein Equipment steht, aufgenommen worden, während mein Kumpel und ich den Keller umgeräumt haben. Ganz einfach wie früher, ohne Effekte etc., mit Traktor aufgelegt, ohne Sync angeglichen und fertig. Ich glaube, es sind 22 Tracks da drin verbaut und man kann gut abfeiern. Echtes DJing? Dave Clarke hat neulich einen Post veröffentlicht; sinngemäss: “Stell dir vor, es gibt kein Instagram mehr und auf einmal bist du kein DJ mehr!” Ich würde es ein wenig krasser sagen: Nimm doch mal allen, die heute auf den Partys, Events, Festivals etc. auflegen, bei den Controllern und Laptops und CD-Playern den Sync-Button weg. Nur für ein Set – das wäre sicherlich den Eintritt wert! Stell dir mal Like Mike und Dimitry Vegas vor, wenn sie vor lauter Anpitchen ihre Show nicht mehr machen könnten. Oder Steve Aoki, der auf einmal keine Zeit mehr hätte, Kuchen zu werfen – wobei, die Zeit, die er vor den Playern verbringt, ist im Verhältnis zum “Auflegen” schon extrem. Stell dir einfach mal vor, wie David Guetta, der ja schon in der Vergangenheit planlos, stromlos und kopfhörerlos aufgelegt hat, dann sync-los spielen würde! Controller, Traktor etc. sind tolle Sachen, ich spiele selbst mit Traktor – aber nicht, weil ich zu dumm, zu faul oder zu alt geworden bin, um zu pitchen. Ich habe einfach eine grosse Menge an MP3s dabei, alles auf einem USB-Stick oder einer externen Platte. Ich bräuchte für all das, was ich an MP3s dabei habe, zwei volle Transporter, um es in Vinyl mitzuführen. Der Club bräuchte eine eigene 40-Quadratmeter-DJ-Booth nur für meine Platten. Dann hätte ich aber gern noch einen Teppich, einen Lesesessel und eine Stehlampe in meinem Rider stehen, damit das Aussuchen der nächsten Platte total entspannt ist. Die ganze Elektronik hilft bei der Kreativität und gibt Möglichkeiten, aber DJing ist eine Sache von DJ, Mixer und zwei oder drei Plattenspielern. So war es und so wird es immer sein! Enden wird das Ganze niemals, es wird immer weitergehen; Musik als Träger von Ideen.

Welche Acts und DJs verkörpern für dich authentischen Techno?

DJ SLT: Air Liquide, weil die Jungs einen ganz eigenen Sound hatten, und Unit Moebius, weil dort oft live ungewöhnliche Sachen gemacht wurden. Genauso BROM und TomK vom Münchner Label SIND Records, Acid-Scout, Throb, Dave Clarke, Christian Smith, Andreas Kraemer, Cari Lekebusch, Misjah, Derrick May und Abe Duque.

Quelle: fazemag.de

https://www.facebook.com/officialdjslt

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